Kurzinfo
Zum
Leben ist es nie zu spät
Jean-Pierre
wacht auf und kann sich an nichts erinnern. Er ist in die Seine
gefallen, ein junger Mann hat ihm das Leben gerettet. Jetzt liegt er
im Krankenhaus, ein Alptraum für den menschenscheuen Einzelgänger.
Über zu viel Besuch kann sich der verwitwete Rentner "ohne
Kinder oder Hund" eigentlich nicht beklagen. Aber alleine ist er
trotzdem nie, ständig fällt ihm jemand auf die Nerven: Die
vierzehnjährige Maëva hat es auf seinen Laptop abgesehen, um
"schnell mal Facebook zu checken". Maxime, ein junger
Polizist, versucht herauszufinden, wie Jean-Pierre in der Seine
gelandet ist - und schon bald entdecken die beiden ihre gemeinsame
Leidenschaft für Schwarzweißfilme. Der gutherzigen Krankenschwester
Myriam wächst der alte Griesgram mit Galgenhumor so ans Herz, dass
sie ihn zu ihrem Lieblingspatienten ernennt. Und dann ist da noch
Camille, der Student, der Jean-Pierre aus der Seine gefischt hat.
Allen zusammen gelingt es nach und nach, Jean-Pierre zurück ins
Leben zu holen - und für einen Neuanfang ist es bekanntlich nie zu
spät.
(Text und Fotos wurden mir von der Presseabteilung des Verlages zur Verfügung gestellt)
Meine Rezension
Ein
sehr schöner, lebendiger Schreib- und Sprachstil, er lässt sich
sehr gut, flüssig und mit großer Freude lesen. Die Geschichte
bringt mich immer wieder zum Lachen und Schmunzeln.
Ich
liebe diesen kauzigen, ironisch-sarkatischen älteren Herrn. Wenn
Jean-Pierre real wäre, würde ich ihn zu gerne kennen lernen. Die
weiteren Protagonisten sind ebenfalls gut gezeichnet.
Marie-Sabine
Roger hat die Geschichte in der “Ich-Form“, aus der Sicht
Jean-Pierre's, geschrieben. Unterteilt ist sie in kurze,
durchnummerierte Kapitel.
Unser
Hauptprotagonist erwacht und weiß nicht wo er ist und warum. Ihm
wird klar, dass er ein Poly-Trauma hat, sich im Krankenhaus befindet
und sich nicht bewegen soll. Es sei mit knapper Not dem Teufel von
der Schippe gerutscht und aus der Seine gefischt worden, wird ihm
mehr oder weniger schonend beigebracht.
Da er still zu liegen
hat, nervt ihn schnell alles und jeder. Wir dürfen an seiner
Gedankenwelt teilhaben, die zu einem guten Teil aus absolut
köstlichen Gedanken über den Krankenhausalltag besteht. Die uns
aber trotzdem, oder auch genau deshalb, das Verhalten gegenüber den
Patienten vor Augen führt. Wir bekommen aber auch einen Eindruck von
seinem bisherigen Leben und stellen dabei fest, dass er eigentlich
sehr einsam ist, fast schon ein wenig verbittert.
Er
wundert sich über die all zu häufigen Besuche der Polizisten, lernt
seinen Lebensretter kennen und schiebt ihn sofort in eine Schublade.
Jean-Pierre ärgert sich über die stets präsente 14-jährige,
pummelige Rotzgöre, für die er auch eine passende Schublade hat.
Das Personal macht ihn mit seinen ewigen „Uns-Fragen“ und dem
ständigen Offenlassen der Zimmertür fast verrückt. Genau so wenig
mag er es, nur auf “Das Becken von 28“ reduziert zu werden.
Um
nicht nur dumm rum zu liegen, beginnt er seine Memoiren zu schreiben.
Wir switchen also, an den passenden Stellen, zwischen seinen zumeist
trostlosen Erinnerungen und dem prall gefüllten Krankenhausleben hin
und her. Das gibt der Geschichte seine Würze.
Die
andauernden, ungebetene Besuche der bereits erwähnten Personen
lassen jedoch langsam, gegen seinen Willen, Stück für Stück seine
harte Schale knacken und sich fast gänzlich auflösen. Dieser bunt
gemischte Haufen wächst ihm ans Herz, bringt neue Lebensenergie
zurück. Sie alle, die Krankenschwester, der Polizist, der
Lebensretter und die Rotzgöre werden fast so etwas wie eine Familie
für ihn, die er außerhalb des Krankenhauses nie so richtig hatte.
Einziges Manko für ihn, wie im wirkliche Leben auch, wird die
Unfallflucht nie aufgeklärt.
Was
soll ich als Fazit sagen?!?
Die
Autorin hat es geschafft, mich lachend zum Nachdenken zu bringen. Zum
Philosophieren über das oft viel zu kurze Leben, das man aus diesem
Grund jeden Tag genießen sollte. Über das Alter/das Älter werden
verbunden mit der aufkommenden Einsamkeit und Freundschaft, für die
es nie zu spät ist bzw. sein sollte. Durch das, zwecks
Unbeweglichkeit, Aushalten der “Attacken der Störenfriede“ fing
Jean-Pierre an hinter die Fassade zu blicken und sieht die Personen
jetzt mit anderen Augen. Wir werden sachte darauf aufmerksam gemacht,
das Schubladendenken aufzugeben. Außerhalb des Krankenhauses hätte
er seine neuen Freunde nie wahrgenommen, geschweige denn ihre
Freundschaft angenommen oder gar gesucht.
Das
offene Ende Ende lässt unserer Phantasie und dem Kopfkino sehr viel
Spielraum zum Weiterspinnen und für Spekulationen, wie das “Familienleben“ wohl
aussehen könnte.
Ein Buch, das es wert ist gelesen zu werden.
Ich
danke dem Hoffmann und Campe Verlag für die Möglichkeit diese liebevolle und bewegende Hommage der Autorin Marie-Sabine Roger * Für das Leben *
Über das Alter * An die Freundschaft *, lesen zu dürfen.
Das
eine oder andere Buch dieser Autorin wird wohl in absehbarer Zeit
gelesen in meinem Regal stehen.
Wissenswertes
©Geoffroy
Mathieu/Opale
Marie-Sabine
Roger wurde 1957 in Bordeaux geboren, arbeitete lange als
Grundschullehrerin in Südfrankreich und lebt seit 2011 in Kanada.
Ihr Roman Das Labyrinth der Wörter war
ein Bestseller und wurde mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle
verfilmt. Zuletzt erschien von ihr Der Poet der kleinen
Dinge.
- Gebundene Ausgabe: 224
- Verlag: Hoffmann und Campe (11.03.2014)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: Claudia Kalscheuer
- Originaltitel: Bon rétablissement
- ISBN: 978-3-455-60002-5