Dienstag, 11. März 2014

Das Leben ist ein listiger Kater von Marie-Sabine Roger







Kurzinfo

Zum Leben ist es nie zu spät
Jean-Pierre wacht auf und kann sich an nichts erinnern. Er ist in die Seine gefallen, ein junger Mann hat ihm das Leben gerettet. Jetzt liegt er im Krankenhaus, ein Alptraum für den menschenscheuen Einzelgänger. Über zu viel Besuch kann sich der verwitwete Rentner "ohne Kinder oder Hund" eigentlich nicht beklagen. Aber alleine ist er trotzdem nie, ständig fällt ihm jemand auf die Nerven: Die vierzehnjährige Maëva hat es auf seinen Laptop abgesehen, um "schnell mal Facebook zu checken". Maxime, ein junger Polizist, versucht herauszufinden, wie Jean-Pierre in der Seine gelandet ist - und schon bald entdecken die beiden ihre gemeinsame Leidenschaft für Schwarzweißfilme. Der gutherzigen Krankenschwester Myriam wächst der alte Griesgram mit Galgenhumor so ans Herz, dass sie ihn zu ihrem Lieblingspatienten ernennt. Und dann ist da noch Camille, der Student, der Jean-Pierre aus der Seine gefischt hat. Allen zusammen gelingt es nach und nach, Jean-Pierre zurück ins Leben zu holen - und für einen Neuanfang ist es bekanntlich nie zu spät.
(Text und Fotos wurden mir von der Presseabteilung des Verlages zur Verfügung gestellt)


Meine Rezension

Ein sehr schöner, lebendiger Schreib- und Sprachstil, er lässt sich sehr gut, flüssig und mit großer Freude lesen. Die Geschichte bringt mich immer wieder zum Lachen und Schmunzeln.

Ich liebe diesen kauzigen, ironisch-sarkatischen älteren Herrn. Wenn Jean-Pierre real wäre, würde ich ihn zu gerne kennen lernen. Die weiteren Protagonisten sind ebenfalls gut gezeichnet.

Marie-Sabine Roger hat die Geschichte in der “Ich-Form“, aus der Sicht Jean-Pierre's, geschrieben. Unterteilt ist sie in kurze, durchnummerierte Kapitel.

Unser Hauptprotagonist erwacht und weiß nicht wo er ist und warum. Ihm wird klar, dass er ein Poly-Trauma hat, sich im Krankenhaus befindet und sich nicht bewegen soll. Es sei mit knapper Not dem Teufel von der Schippe gerutscht und aus der Seine gefischt worden, wird ihm mehr oder weniger schonend beigebracht.

Da er still zu liegen hat, nervt ihn schnell alles und jeder. Wir dürfen an seiner Gedankenwelt teilhaben, die zu einem guten Teil aus absolut köstlichen Gedanken über den Krankenhausalltag besteht. Die uns aber trotzdem, oder auch genau deshalb, das Verhalten gegenüber den Patienten vor Augen führt. Wir bekommen aber auch einen Eindruck von seinem bisherigen Leben und stellen dabei fest, dass er eigentlich sehr einsam ist, fast schon ein wenig verbittert.

Er wundert sich über die all zu häufigen Besuche der Polizisten, lernt seinen Lebensretter kennen und schiebt ihn sofort in eine Schublade. Jean-Pierre ärgert sich über die stets präsente 14-jährige, pummelige Rotzgöre, für die er auch eine passende Schublade hat. Das Personal macht ihn mit seinen ewigen „Uns-Fragen“ und dem ständigen Offenlassen der Zimmertür fast verrückt. Genau so wenig mag er es, nur auf “Das Becken von 28“ reduziert zu werden.

Um nicht nur dumm rum zu liegen, beginnt er seine Memoiren zu schreiben. Wir switchen also, an den passenden Stellen, zwischen seinen zumeist trostlosen Erinnerungen und dem prall gefüllten Krankenhausleben hin und her. Das gibt der Geschichte seine Würze.

Die andauernden, ungebetene Besuche der bereits erwähnten Personen lassen jedoch langsam, gegen seinen Willen, Stück für Stück seine harte Schale knacken und sich fast gänzlich auflösen. Dieser bunt gemischte Haufen wächst ihm ans Herz, bringt neue Lebensenergie zurück. Sie alle, die Krankenschwester, der Polizist, der Lebensretter und die Rotzgöre werden fast so etwas wie eine Familie für ihn, die er außerhalb des Krankenhauses nie so richtig hatte. Einziges Manko für ihn, wie im wirkliche Leben auch, wird die Unfallflucht nie aufgeklärt.

Was soll ich als Fazit sagen?!?
Die Autorin hat es geschafft, mich lachend zum Nachdenken zu bringen. Zum Philosophieren über das oft viel zu kurze Leben, das man aus diesem Grund jeden Tag genießen sollte. Über das Alter/das Älter werden verbunden mit der aufkommenden Einsamkeit und Freundschaft, für die es nie zu spät ist bzw. sein sollte. Durch das, zwecks Unbeweglichkeit, Aushalten der “Attacken der Störenfriede“ fing Jean-Pierre an hinter die Fassade zu blicken und sieht die Personen jetzt mit anderen Augen. Wir werden sachte darauf aufmerksam gemacht, das Schubladendenken aufzugeben. Außerhalb des Krankenhauses hätte er seine neuen Freunde nie wahrgenommen, geschweige denn ihre Freundschaft angenommen oder gar gesucht.

Das offene Ende Ende lässt unserer Phantasie und dem Kopfkino sehr viel Spielraum zum Weiterspinnen und für Spekulationen, wie das “Familienleben“ wohl aussehen könnte.

Ein Buch, das es wert ist gelesen zu werden.

Ich danke dem Hoffmann und Campe Verlag für die Möglichkeit diese liebevolle und bewegende Hommage der Autorin Marie-Sabine Roger * Für das Leben * Über das Alter * An die Freundschaft *, lesen zu dürfen.

Das eine oder andere Buch dieser Autorin wird wohl in absehbarer Zeit gelesen in meinem Regal stehen.





Wissenswertes


©Geoffroy Mathieu/Opale

Marie-Sabine Roger wurde 1957 in Bordeaux geboren, arbeitete lange als Grundschullehrerin in Südfrankreich und lebt seit 2011 in Kanada. Ihr Roman Das Labyrinth der Wörter war ein Bestseller und wurde mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle verfilmt. Zuletzt erschien von ihr Der Poet der kleinen Dinge.



  • Gebundene Ausgabe: 224
  • Verlag: Hoffmann und Campe (11.03.2014)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Claudia Kalscheuer
  • Originaltitel: Bon rétablissement
  • ISBN: 978-3-455-60002-5